Künstler

Emil Nolde

Geboren
7. August 1867, Nolde in Schleswig, Deutschland

Gestorben
13. April 1956, Sebüll, Deutschland

Emil Nolde, Selbstportrait, 1908 © Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde 

Biografie

Die Anfänge (1867–1906)

Im Vergleich zu den Gründungsmitgliedern der Künstlergruppe Brücke war Emil Nolde rund 13 Jahre älter. Als Hans Emil Hansen wird er am 7. August 1867 im deutsch-dänischen Grenzland in der Nähe von Tondern geboren.1 Er ist der vierte Sohn des Bauern Niels Hansen und seiner Frau Hanna Christine aus dem Dorf Nolde. Später wird seiner Herkunft aus dem ländlichen Nordschleswig eine besondere Bedeutung beigemessen.

Zunächst absolviert der junge Hansen eine kunstgewerbliche Lehre als Holzbildhauergehilfe und Zeichner in Flensburg, ist als Schnitzer in Möbelfabriken in München und Karlsruhe tätig und besucht die Kunstgewerbeschule in Karlsruhe. Ab 1890 findet er eine Anstellung in einer Berliner Möbelfabrik, zieht 1892 für rund fünf Jahre nach St. Gallen in die Schweiz, wo er Fachlehrer für gewerbliches Zeichnen und Modellieren am Industrie- und Gewebemuseum ist. Reproduktionen seiner Darstellungen der Schweizer Gipfel in Sagengestalt – seine sogenannten „Bergpostkarten“ – verkaufen sich hervorragend. Diese ersten Jahre seiner Karriere belegen (wie z. B. auch im Falle Max Pechsteins), dass der „Sprung“ in ein Leben als freischaffender bildender Künstler aufgrund ökonomischer Verhältnisse mit Schwierigkeiten verbunden war. Nach seiner Zeit in St. Gallen versucht Nolde vergeblich, an der Münchner Akademie der Bildenden Künste unterzukommen; da dies nicht gelingt besucht er private Malschulen in München und Dachau, und zwischen Herbst 1899 und Sommer 1900 in Paris. Im Herbst 1900 mietet er in Kopenhagen ein Atelier an.

Entscheidend für Noldes weitere Karriere ist die Bekanntschaft mit der dänischen Pastorentochter und Schauspielerin Ada Vilstrup, die mehr als alle anderen an seine künstlerische Befähigung glaubt und darüber hinaus bis zu ihrem Tod im Jahr 1946 die Aufgaben einer Managerin übernimmt.2 Erst mit der Hochzeit im Februar 1902 ändert der Maler seinen Namen von Hansen zu Nolde, das Ehepaar zieht zeitweise nach Berlin. Überhaupt spielt Berlin im späteren Leben Noldes eine wichtige Rolle: Bis ins Jahr 1941 hinein verbringt er die meisten Wintermonate in der deutschen Hauptstadt, wo Ada und Emil in ihren Wohnungen – erst an der Tauentzienstrasse, später in Berlin-Westend – viele Gäste empfangen. Die Sommermonate dagegen werden im Norden verbracht, bis 1916 auf der Ostsee-Insel Alsen, danach zieht das Ehepaar an die Westküste nahe der Nordsee.

Nolde und die Brücke: Etablierung in Berlin (1906–1913)

Im Februar 1906 wird Nolde von Karl Schmidt-Rottluff um seinen Beitritt zur Künstlergemeinschaft Brücke gebeten, die er Mitte März zusagt.3 Tatsächlich ist die Verbindung zu den Dresdner Malern in erster Linie auf die Teilnahme an Kollektivausstellungen ausgerichtet. Zunächst ist der Kontakt zu Karl Schmidt-Rottluff intensiver, unter anderem besucht der junge sächsische Maler das Ehepaar Nolde 1906 – einen Sommer lang – auf der Insel Alsen. Im Frühjahr 1907 verbringt Ada mehrere Wochen in einem Sanatorium in Dresden und lernt nun auch Erich Heckel besser kennen. Doch die Bekanntschaft zwischen den jungen Malern und Ada führt dazu, dass sich das Ehepaar Nolde schließlich zurückzieht: Im November 1907 teilt Nolde seinen Austritt mit. Unter anderem missfällt ihm das Interesse, das Schmidt-Rottluff und Heckel Ada entgegenbringen.4 Darüber hinaus hat er den Eindruck, die anderen profitieren von ihm und seinem Netzwerk weitaus mehr als er selbst von der Zugehörigkeit. Nolde versucht wiederholt, eine eigene Künstlergruppe zu gründen – ohne Erfolg. Er siedelt dauerhaft nach Berlin über.

Im Künstlerischen erschließt er sich in diesen Jahren neue Motivkreise: Seit 1909 widmet sich Nolde vermehrt biblischen Themen zu, es entstehen die Werke Pfingsten, Abendmahl und Verspottung. Im Dezember 1910 wird Nolde aus der renommierten Künstler- und Ausstellungsvereinigung Berliner Secession ausgeschlossen, in der er seit 1908 Mitglied war. Der Ausschluss ist die Konsequenz aus seiner Auseinandersetzung mit Max Liebermann. Dieser Konflikt wird von Nolde nach 1933 wiederholt angeführt, um seine frühe Auflehnung gegen eine angeblich jüdisch dominierte Berliner Kunstszene zu belegen. Ab 1911 sucht er das Berliner Völkerkundemuseum auf, und zeichnet dort Objekte aus unterschiedlichen Regionen der Welt ab, die er teilweise in seine Stillleben-Gemälde integriert. 1913 wird der Ankauf von zwei Nolde-Gemälden durch das Städtische Museum in Halle/Saale öffentlich debattiert; dass er dem Leiter Max Sauerlandt gelingt ist angesichts der wilhelminischen Museumspolitik erstaunlich.

Kolonialreise zum Südpazifik und Erster Weltkrieg (1913–1918)

Im Herbst 1913 brechen Ada und Emil Nolde in die damalige Kolonie Deutsch-Neuguinea auf, sie begleiten eine Expedition. Vor Ort profitiert die kleine Gruppe von der kolonialen Infrastruktur. Nolde kommt die Rolle eines Expeditionsmalers zu: es entstehen zahlreiche Aquarell-Porträts.5 Aufgrund einer Infektion am Beginn der Reise hält sich Nolde nach einem Krankenhausaufenthalt die verbleibende Zeit vor allem in dem kolonial geprägten Küstenort Kavieng auf und verzichtet auf weitere strapaziöse Ausflüge. Im Mai 1914 tritt das Ehepaar – früher als ursprünglich geplant – die Rückreise an. Im Suezkanal werden die Noldes vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht. Sie begeben sich zunächst ins neutrale Port Said, ab Mitte August reisen sie über Marseille, Genua, Mailand, Halle an der Saale, Berlin und Hamburg zurück in ihr Domizil auf der Ostseeinsel Alsen. Im Laufe des Sommers ziehen die Noldes von Alsen an die Westküste, in das Bauernhaus „Utenwarf“. In den Kriegsjahren ist Nolde als Zivilist und Selbstversorger in Nordschleswig vergleichsweise privilegiert. Im Gegensatz zu den anderen ehemaligen Mitgliedern der Brücke ist er mit knapp fünfzig Jahren zu alt für den Militärdienst. Sein Arbeitsalltag unterscheidet sich kaum von dem der Vorkriegszeit: im Atelier entstehen hunderte von Ölgemälden und Aquarellen, er organisiert zahlreiche Einzelausstellungen und tätigt erfolgreich Verkäufe. Bemerkenswert ist im Juni 1916 der Verkauf von 50 in Deutsch-Neuguinea geschaffenen Aquarellen an das Deutsche Reichskolonialamt, mit dem Noldes Ausgaben für die teure Reise getilgt werden können. Im Juni 1918 erwirbt die Hamburger Kunsthalle zwei Gemälde.

Nolde in der Weimarer Republik (1918–1933)

Wie einige seiner ehemaligen Brücke-Kollegen ist auch Nolde kurzzeitig Mitglied im Berliner Arbeitsrat für Kunst – ein Zusammenschluss von Kunstschaffenden in der unmittelbaren Nachkriegszeit. 1920 wird er zum dänischen Staatsbürger, nachdem die Volksabstimmung im Grenzgebiet dazu geführt hat, dass Noldes Wohnhaus in Dänemark liegt. 1926 erwirbt er die nahe gelegene Warft „Seebüll“, die auf deutschem Boden liegt, dort entsteht ab 1927 auf der Grundlage eigener Pläne sein Wohn- und Atelierhaus, in dem heute die Nolde Stiftung mit Künstlerhaus und Museum ist. Auch wenn Nolde nachträglich gerne die mangelnde Anerkennung seiner Kunst in diesen Jahren betont, so gehört der Künstler in den 1920er-Jahren zu den prominentesten Repräsentanten der neuen deutschen Kunst, seine Werke werden von zahlreichen öffentlichen Sammlungen angekauft. Anlässlich seines 60. Geburtstages wird in Dresden eine große Jubiläumsausstellung mit über 200 Gemälden veranstaltet, die in reduzierter Form auch in Hamburg, Kiel, Essen und Wiesbaden gezeigt wird. Außerdem erhält er die Ehrendoktorwürde der Universität Kiel. 1931 veröffentlicht Nolde dann seine Autobiografie Das eigene Leben, auf die weitere Bände folgen. Er engagiert sich in den Debatten zur deutschen Gegenwartskunst, u. a. im Rahmen der kontroversen Wanderausstellung Neuere deutsche Kunst (1932), die von vielen liberal ausgerichteten Künstlern und Kritikern als nationalistisch und zu einseitig kritisiert wird. Nolde verteidigt die Schau in einer öffentlichen Stellungnahme und bezeichnet den deutschen Impressionismus als „Zwitterkunst“.6 Im April 1933 stellt er gegenüber Max Sauerlandt fest: „Ich möchte gern, daß eine reinliche Scheidung erfolgt, zwischen jüdischer u. deutscher Kunst, wie auch zwischen deutsch-französischer Mischung u. rein deutscher Kunst.“7

Die Jahre des Nationalsozialismus (1933–1945)

Nicht zuletzt aufgrund vorheriger Debatten um das „Deutsche“ in der Kunst hofft Nolde, für das neue Regime ein geeigneter künstlerischer Repräsentant zu sein. Um seiner nationalsozialistischen Haltung Ausdruck zu verleihen, tritt er im Spätsommer 1934 in die Partei ein. Aufgrund seiner dänischen Staatsbürgerschaft ist dies zunächst die NSAN, die Nationalsozialistische Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig. Er veröffentlicht im Herbst seine Memoiren Jahre der Kämpfe, in denen er sich als Vorkämpfer für die „neue deutsche Kunst“ positioniert und seinen Konflikt mit dem Künstler Max Liebermann und der Berliner Secession vom Winter 1910/11 als Beleg seiner Pionierrolle anführt. Personen aus Noldes Bekanntenkreis kommentieren dessen öffentlich zur Schau getragenen Antisemitismus, die Sammlerwitwe Tekla Hess drückt in einem Brief an Nolde ihre Erschütterung aus: „Ich muß Ihnen, nachdem ich Ihr Buch gelesen, Folgendes sagen: daß mich Ihre Einstellung zu uns Juden – tief erschüttert hat […].“8 Auch Noldes Denunziation Max Pechsteins als angeblichen Juden im Jahr 1933 macht in Künstlerkreisen die Runde. In diesen Jahren wird insbesondere am Beispiel Noldes um die Rolle des „nordischen“ Expressionismus im NS-Staat gestritten. Die Eröffnung der Ausstellung Entartete Kunst im Juli 1937 in München präsentiert Nolde prominent mit über dreißig Werken, im Laufe der Aktion werden über 1000 Werke Noldes beschlagnahmt. Rund 450 dieser Arbeiten waren noch Anfang 1935 – also bereits im Nationalsozialismus – vom Freundeskreis des Folkwang Museums erworben worden, so dass der Vorgang die Unklarheit um Noldes Position illustriert. Obwohl seine Gemälde Ende 1938 aus der Ausstellung Entartete Kunst herausgenommen werden, was Nolde selbst als Rehabilitierung versteht, bleibt die offizielle Anerkennung aus. Nach Bekanntwerden von Noldes hohem Einkommen, rund 80 000 Reichsmark im Jahr 1940, schließt die Reichskammer der bildenden Künste ihn im August 1941 aus und untersagt ihm das Ausstellen, Verkaufen und Publizieren ohne ausdrückliche Vorab-Genehmigung.9 Trotz solcher Repressalien halten Ada und Emil Nolde ihren Glauben an das Regime aufrecht, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs reflektieren ihre Aussagen die nationalsozialistische Propaganda.10

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (1945–1956)

Eine Neuausrichtung setzt im Mai 1945 ein. Nolde kann plausibel darlegen, dass er als Opfer des Regimes verfolgt und verfemt worden war.11 Er selbst reflektiert nicht über seine ambivalente Situation in diesen Jahren. Als Parteimitglied muss auch er entnazifiziert werden, doch dies gelingt ohne weiteres durch die Vorlage der beiden Reichskammer-Ausschlussbriefe von 1941. Zahlreiche Bekannte, teilweise hochrangige Parteifunktionäre, erhalten Entlastungszeugnisse von ihm. Nolde wird in seinem letzten Lebensjahrzehnt die Anerkennung zuteil, die er sich in den Jahren des Nationalsozialismus zwar erhofft hatte, die jedoch ausgeblieben war. Zum 79. Geburtstag erhält er eine Ehrenprofessur des Landes Schleswig-Holstein, im Jahr 1952 den Orden Pour Le Mérite. Ab den 1960er Jahren werden seine kleinformatigen Aquarelle unter dem Begriff der „Ungemalten Bilder“ präsentiert und nun in einen erzählerischen Rahmen mit seinem Berufsverbot gestellt.12 Tatsächlich sind jedoch viele dieser Blätter vor Noldes Reichskammer-Ausschluss entstanden und nicht, wie er selbst nach dem Krieg in seinen Memoiren „Reisen. Ächtung. Befreiung“ (1967 posthum veröffentlicht) schrieb, im Verborgenen, in einer Zeit, in der ihm das Malen verboten war. 1956 stirbt Nolde im Alter von 88 Jahren in Seebüll. Wie auch Ada, die 1946 gestorben war, wird er in der Gruft auf dem Grundstück beigesetzt. Die letzten Jahre lebte er mit Jolanthe Nolde zusammen, die er 1948 geheiratet hatte. Im Jahr seines Todes wird die testamentarisch verfügte Stiftung Ada und Emil Nolde anerkannt, die bis heute seinen Nachlass verwaltet.

Aya Soika

  • 1
    Eine detaillierte Übersicht zu den Lebensdaten Emil Noldes bietet die Website der Stiftung Ada und Emil Nolde in Seebüll. Einen umfassenden Überblick zu Noldes Leben gibt Kirsten Jüngling in ihrer Biographie: Emil Nolde. Die Farben sind meine Noten, Berlin 2013.
  • 2
    Zur Rolle von Ada vgl. die Beiträge in Ada Nolde ‚meine Vielgeliebte‘. Muse und Managerin Noldes, hg. von Christian Ring und Astrid Becker, München 2019.
  • 3
    Vgl. hierzu die Aufsätze im Ausstellungskatalog Nolde und die Brücke, hg. von Hans-Werner Schmidt und Anette Hüsch, Museum der bildenden Künstle Leipzig und Kunsthalle zu Kiel, München 2017.
  • 4
    Vgl. Astrid Becker, ‚Verehrte Frau Nolde! Sie sind ja wunderbar‘. Ada Nolde und die Künstler der Brücke., in: ebd., S. 80–91.
  • 5
    Zur Reise zum Südpazifik sind zahlreiche Kataloge und Texte erschienen, vgl. u. a. Aya Soika, Emil Noldes Südsee-Aquarelle im kolonialen Kontext, in: Sønderjylland-Schleswig Kolonial – Eine Spurenlese, hg. von Marco L. Petersen, University of Southern Denmark Studies in History and Social Sciences, Bd. 569, Odense 2018, S. 277–302.
  • 6
    Emil Nolde Stellungnahme für die Zeitschrift Museum der Gegenwart, 12.2.1932, Durchschrift, Archiv der Nolde Stiftung Seebüll. Abdruck in Aya Soika, Bernhard Fulda: Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus. Chronik und Dokumente, hg. von Bernhard Fulda, Christian Ring, Aya Soika, München 2019, Dok. 10, S. 54.
  • 7
    Emil Nolde an Max Sauerlandt, 8.4.1933, Archiv der Nolde Stiftung Seebüll. Abschrift in ebd., Dok. 10, S. 54.
  • 8
    Tekla Hess an Emil Nolde, 29.1.1935, Archiv der Nolde Stiftung Seebüll. Zitiert in ebd., S. 90.
  • 9
    Vgl. hierzu Bernhard Fulda, Emil Noldes Berufsverbot: Eine Spurensuche, in: Anja Tiedemann (Hg.), Die Kammer schreibt schon wieder! Das Reglement für den Handel mit moderner Kunst im Nationalsozialismus, Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“, Bd. 10, Berlin 2016, S. 127–145.
  • 10
    Vgl. Bernhard Fulda, Noldes Antisemitismus, in: Bernhard Fulda, Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus. Essay- und Bildband, Ausst.-Kat. Nationalgalerie Berlin 2019, hg. von Bernhard Fulda, Christian Ring und Aya Soika für die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin und die Nolde Stiftung Seebüll, München 2019, S. 97–114.
  • 11
    Vgl. Bernhard Fulda, Die Entstehung einer deutschen Nachkriegslegende, in: ebd., S. 221–244.
  • 12
    Vgl. Bernhard Fulda, ‚Die ungemalten Bilder‘: Genese eines Mythos, in: ebd., S. 179–217.