Die Salonière Elsa Glaser
Isabel Fischer
Sammlungskuratorin, Brücke-Museum
Frühe Jahre
Elsa Glaser wurde am 7. Mai 1878 in Breslau geboren. Ihr Vater Hugo Kolker (1845-1915) war ein erfolgreicher Unternehmer, der einen Chemikalien- und Fettwarenhandel betrieb und. u.a. für die Herstellung der allerersten Kunstseide verantwortlich war. Sie hatte keine Geschwister und genoss so die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern Hugo und Renate „Nathalie“ Kolker (geb. Glaser). Frei von materiellen Sorgen konnte sie ihren intellektuellen und kulturellen Interessen nachgehen und erhielt wie in großbürgerlichen Kreisen üblich eine umfangreiche Bildung. Dennoch waren ihre Handlungsspielräume als Frau im deutschen Kaiserreich beschränkt. Trotz ihrer später von Zeitgenoss*innen wiederholt bestätigten herausragenden Intelligenz und kultureller Neigung, war ihr weder ein Studium – nur wenige Universitäten ließen Frauen zu dieser Zeit zu - noch eine berufliche Laufbahn beschieden.
Die Ehe mit Curt Glaser – Ein gemeinsames Leben für die Kunst
1903, mit 25 Jahren, heiratete sie ihren gleichaltrigen Cousin Curt Glaser, der zuvor ein Medizinstudium abgeschlossen hatte. Sie teilten die Liebe zur Kunst, wobei es sehr wahrscheinlich Elsa Glasers war, die ihren Mann dazu anregte eine Karriere als Kunsthistoriker anzustreben. Durch ihre Familie finanziell unterstützt, konnte er Kunstgeschichte studieren und eine Museumslaufbahn einschlagen. Das gemeinsame Leben von Curt und Elsa Glaser war geprägt von Kunst, intellektuellem Austausch und Entdeckungsreisen. Ihre Ehe blieb kinderlos, was dem Paar größere Unabhängigkeit bei ihren Unternehmungen ermöglichte. Insbesondere in den ersten Jahren der Ehe reisten sie viel, so beispielsweise 1911 nach Japan, wo sie mehrere Monate verbrachten. Elsa Glaser war eine neugierige, wissensdurstige Person, die sich schnell Neues aneignete, so auch die japanische Sprache und Kultur. Sie sprach auch fließend Französisch und übersetzte Joachim Gasquets Buch über Paul Cezanne ins Deutsche. Diese „gute Übersetzung“ 1 begeisterte auch die Kunsthistorikerin Rosa Schapire, mit der Glaser das Engagement für die moderne Kunst teilte.
Kunst sammeln
Zu den gemeinsamen Leidenschaften von Elsa Glaser und ihrem Mann Curt zählte das Sammeln von Kunst. Ihre private Kunstsammlung enthielt wichtige Werke der klassischen Moderne, allen voran von Edvard Munch, aber auch der Brücke-Künstler. Elsa Glasers Rolle beim Aufbau der bedeutenden Sammlung wurde oft in den Schatten ihres Ehemanns gestellt, der als Kurator im Berliner Kupferstichkabinett und später als Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek offiziell über die nötigen Kontakte verfügte. Dabei war die Sammeltätigkeit mit ihrem Mann stets ein gemeinsames Unterfangen, und Elsa Glaser sowohl ideell als auch finanziell involviert. Auch ihrem Vater half sie beim Aufbau einer Kunstsammlung: Sie öffnete ihm den Weg zur zeitgenössischen Kunst und verhalf ihm zu Werken von Edvard Munch: „Nun wünscht diese einzige Tochter Frau Glaser, dass ihr Vater noch ein grosses Munch Gemälde kaufen soll. Die Dame gab mir den Auftrag, wegen des Gemäldes ‚Arbeiter im Schnee‘ bei Ihnen, Herr Munch anzufragen. […] Sie ist sehr geschmackvoll und lebt ganz für Kunst“, schreib der Munch-Förderer und Sammler Albert Kollmann an den Künstler. Glaser schätzte Munch sehr und besuchte ihn 1913 gemeinsam mit ihrem Mann Curt in Oslo. Sie freundeten sich mit ihm an. Bei der Gelegenheit malte er auch zwei Porträts von ihr. Nicht nur mit Munch sondern auch mit andere Künstlern wie Max Pechstein und Henri Matisse unterhielt Glaser persönlichen Kontakt. Wie groß ihr Engagement in Künstlerkreisen war, zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass sie 1913 gemeinsam mit Curt Glaser eine Matisse-Ausstellung im Kunstsalon Fritz Gurlitt organisatorisch unterstützte und dazu in direktem Kontakt mit dem Künstler stand. 2
Gastgeberin einer gelebten Salonkultur
Elsa Glaser war eine extrovertierte und kommunikative Person und erlangte im Berlin der 1920er-Jahre als Gastgeberin von Salons einige Berühmtheit. Ab 1925 fanden in der geräumigen mit Büchern und Kunst gefüllten Wohnung des Ehepaar Glasers Montagsabend-Empfänge statt, zu denen Schriftsteller wie Robert Musil und Künstler wie Max Beckmann, aber auch Museumsleute und Galeristen geladen waren. „Elsa Glaser gab sich spontan und unkonventionell und konnte unhemmbar bis zur Grenze des Möglichen sein, doch war sie im seltenen Maße begeisterungsfähig und begabt“, bemerkt der befreundete Publizist Karl Scheffler, der häufiger diesen Treffen beiwohnte. Die meisten Gäste ließen sich „von ihr gern in Bewegung setzen“. Denn sie hielt die Gespräche im Gang und verlieh ihnen den nötigen Esprit, auch wenn oder vielleicht auch gerade weil sie sich nicht immer an Konventionen hielt und das Gespräch durchaus auch auf Unbequemes lenken konnte. Viele schätzten den intellektuellen Austausch mit ihr, war sie doch wie vom Kunsthändler Hugo Perls beschrieben „eine große Anregerin in Kunst und Philosophie“.
Ab der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre hatte Glaser zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Ihr Gehör verschlechterte sich beständig, bis auch ein Hörgerät kaum noch half. Hinzu kamen weitere körperliche Beschwerden. Sie starb nach einer schweren Krankheit mit nur 54 Jahren am 10. Juli 1932. In seiner Rede am Grab der Verstorbenen hielt Karl Scheffler fest: „So wirst du uns im Gedächtnis bleiben, unser Inneres weiterhin bewegend, weil dein Inneres schön bewegt war.“ „Unvergesslich!“, sollte sie ihm zufolge sein.
Weiterführend:
Lynn Rother und Max Koss, „Oh sie sind eine Wissenschafttlerin!“. Elsa Glaser und die Kunstgeschichte“, in: Der Sammler Curt Glaser. Vom Verfechter der Moderne zum Verfolgten, hg. von Anita Haldemann und Judith Rauser, München/Berlin 2022, S.40-46.
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1Rosa Schapire, „Bücher über die bildenden Kunst“, in Der Kreis. Zeitschrift für künstlerische Kultur, 7, 1930/12, S. 712-716, hier 712.
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2Vgl. Anja Breloh, Der Kunstbesitz der Familie Kolker aus Breslau. Eine Spurensuche, 2024, S. 34