Die Sammlerin Rosy Fischer

Valentina Bay
Wissenschaftliche Volontärin am Brücke-Museum

Die Sammlerin und Kunsthändlerin Rosy Fischer (geb. Haas) wurde am 4.10.1869 in Frankfurt am Main als die Mittlere von drei Töchtern in eine jüdische Apotheker-Familie geboren. Auf der Hochzeit ihrer Schwester lernte sie ihren späteren Ehemann, den Handelsunternehmer Ludwig Fischer (1860-1922) kennen. 1892 heirateten die beiden in Breslau und bekamen zwei Söhne – Max (1893-1954) und Ernst (1896-1981). Ende der 1890er-Jahre zog die Familie zurück in Rosy Fischers Geburtsstadt, wo sie eine Wohnung im wohlhabenden Frankfurter Westend bezog.

Die Sammlung Fischer

1905 erwarben Rosy und Ludwig Fischer ihre ersten Kunstwerke. Die spätimpressionistischen Werke von Malern der Münchner Secession wurden jedoch alsbald durch die Kunst der Moderne ersetzt. Spätestens ab 1916 konzentrierten sich die beiden auf expressionistische Kunst und begannen mit dem systematischen Aufbau ihrer Sammlung. Ihr Sohn Ernst erinnert sich, dass die beiden immer getrennt voneinander Kunsthandlungen und Galerien besuchten und sich im Anschluss erzählten, welches Werk ihnen am besten gefiel. In der Regel war es dasselbe und auf diese Art und Weise trugen sie bis zu Ludwigs Tod 1922 rund 500 Gemälde, Plastiken und Papierarbeiten, überwiegend mit Werken der Brücke-Künstler, aber auch von Künstler*innen wie Franz Marc, Otto Dix, Käthe Kollwitz, Max Beckmann, Paul Klee, Lyonel Feininger, Milly Steger und Oskar Kokoschka zusammen.1 So entstand eine der bedeutendsten Privatsammlungen der moderner Kunst in Deutschland dieser Zeit.

Eine besondere Bewunderung hegten sie für den Brücke-Künstler Ernst Ludwig Kirchner. Sie entdeckten den Künstler 1916 im Kunstsalon Ludwig Schames, der Kirchner damals erstmals überhaupt in Frankfurt ausstellte. Die Begeisterung des Galeristen sprang auf das Sammlerpaar über und in den nächsten sechs Jahren fanden fast 80 Arbeiten, darunter 28 Gemälde, des Brücke-Künstlers Eingang in ihre Sammlung. Viele Wände ihrer geräumigen Wohnung waren mit Werken des Malers gefüllt und immer wieder änderten sie die Hängung nach Formaten und Motiven.

Die Galerie Fischer

Als ihr Mann Ludwig 1922 starb, entschloss sich Rosy Fischer, die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Unter dem Namen Galerie Fischer eröffnete sie eine Kunsthandlung in ihrer Wohnung. Hier zeigte sie vor allem Künstler*innen der sogenannten zweiten Generation des Expressionismus, darunter bspw. Werner Gothein, Conrad Felixmüller und Gustav Wolff, und konzentrierte sich vor allem auf Grafiken. Reichte der Platz an den Wänden nicht aus, wurden in der Bibliothek schnell die Bücherregale verhängt und davor die Bilder angebracht. Während sie mit ihrem Mann Ludwig ein relativ zurück gezogenes Leben geführt hatte, wurde ihre Wohnung nun zu einem Treffpunkt des kulturellen Lebens und war weit über die Grenzen Frankfurts bekannt. Zu Besucher*innen der Galerie gehörten u.a. auch der Düsseldorfer Galerist Alfred Flechtheim, der Berliner Kunsthändler Ferdinand Möller, Emil Nolde oder Erna Schilling, die Lebensgefährtin Kirchners.

Von dem Künstler Gustav Wolff ließ Fischer für die Galerie ein Logo entwerfen. Den Holzschnitt eines kleinen Fischers mit Angel in Anlehnung an ihren Namen verwendete sie für Werbeanzeigen. Allerdings verkaufte sie nur selten etwas, denn sie weigerte sich, Arbeiten an Personen zu verkaufen, die ihrer Ansicht nach nicht aus Begeisterung an der Kunst, sondern nur aus kommerziellem Interesse heraus kauften. Als die Inflation in Deutschland und die darauffolgende Währungsreform 1923 ihr Vermögen vernichteten, sah sich die Sammlerin gezwungen, einen Teil der Sammlung zu verkaufen. Bereits vor dessen Tod hatte das Ehepaar über einen Verkauf von Werken an ein Kunstmuseum nachgedacht. 1924 verkaufte Rosy 24 Gemälde an das Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Halle (Saale). Darunter befanden sich auch die beide heute im Brücke-Museum befindlichen Gemälde Im Cafégarten und Sich Kämmender Akt von Kirchner. Für die Werke sollte Fischer Rentenzahlungen bis ins Jahr 1944 erhalten. Allerdings verstarb Fischer bereits zwei Jahre später, 1926, während einer Ägyptenreise in Kairo mit 53 Jahren an einer Fischvergiftung. Der unverkaufte Teil ihrer Kunstsammlung wurde zwischen ihren Söhnen gleichmäßig aufgeteilt.2

Die Emigration der Brüder Ernst und Max Fischer

Als die Nationalsozialisten 1933 in Deutschland die Macht übernahmen und mit der systematischen Verfolgung und Ausgrenzung jüdischer Personen begannen, bedeutete dies für Max und Ernst Fischer einen massiven Einschnitt. Ernst entschied sich schon früh, Deutschland zu verlassen, und emigrierte 1934 mit seiner Familie in die USA. Dieser frühe Zeitpunkt ermöglichte es ihm, seinen Teil der elterlichen Sammlung noch vollständig mitzunehmen. In Richmond, Virginia, begann die Familie ein zweites Leben.

Sein älterer Bruder Max Fischer hingegen floh erst 1935 in die USA, nachdem die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung massiv verschärft worden waren. Aufgrund der strengen Ausreiseregelungen konnte er nur wenige Werke mitnehmen. Was mit dem Rest geschah, ist bis heute nicht genau geklärt. Eventuell verkaufte Max Fischer vor seiner Emigration einige Arbeiten. Das Virginia Museum of Fine Arts, welches seit 2009 Ernst Fischers Teil der Sammlung betreut, untersucht bis heute den Verbleib der verlorenen Werke.3

  • 1
    Vgl. Verzeichnis der Werke der Sammlung Fischer in: Ausst. Kat. Expressionionismus und Exil. Die Sammlung Ludwig und Rosy Fischer Frankfurt am Main, hg. v. Georg Heuberger, Jüdisches Museum, Frankfurt am Main, 1990, München 1990, S. 157-170. Der Katalog bietet einen umfangreichen Einblick in die Sammeltätigkeit von Rosy und Ludwig Fischer.
  • 2
    Andreas Hüneke, „Das konzentrierteste Museum. Halle (Saale) und die Museumsreformbewegung“, in: Ausst. Kat. Bauhaus Meister Moderne. Das Comeback, hg. v. Christian Philipsen, Kunstmuseum Moritzburg, Halle (Saale) 2019/2020, Leipzig 2019, S. 23-43.
  • 3
    Wir danken Dr. Sarah Eckhardt, Museum of Fine Arts Virginia, für die zahlreichen Hinweise zu Rosy Fischer und ihrer Sammlung.