Der Kunstkritiker Max Osborn
Isabel Fischer
Sammlungskuratorin, Brücke-Museum
Frühe Jahre: Von Köln nach Berlin
Max Osborn wurde am 10. Februar 1870 in eine jüdische Bankiersfamilie in Köln geboren. Er wuchs gemeinsam mit drei Schwestern auf und war zeitlebens stolz auf seine rheinländische Herkunft. Sowohl den Dialekt als auch den typischen Frohmut und Humor behielt er nach dem Umzug der Familie nach Berlin bei. Früh entdeckte er seine Liebe zu Kunst und Literatur, woraufhin er sich zu einem Germanistik- und Kunstgeschichtsstudium entschloss. Er studierte in Heidelberg, München und Berlin und promovierte schließlich zur sogenannten Teufelsliteratur des 16 Jahrhunderts – didaktische satirische Traktate. Nach der Promotion setzte er seine Leidenschaft fürs Schreiben in die Praxis um und begann Theater- und Kunstkritiken zu verfassen. 1896, mit 26 Jahren, heiratete er die aus Schwerin stammende Martha Boas. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, Hilde (1897-1992) und Franz (1905-1955).
Autor und Kunstkritiker
Max Osborn war ein vielseitiger Autor und zählte in der Weimarer Republik zu den bekanntesten Kunstkritikern. Seine journalistische Karriere begann er bei der Berliner Nationalzeitung. Ab 1910 war er für den Berliner Ullstein Verlag tätig und schrieb zuerst für die BZ am Mittag und von 1914 bis 1933 für die Vossische Zeitung Theater- und Kunstkritiken. Er führte ein bewegtes Leben in Berliner Kulturkreisen: „Sie [Max und Martha Osborn] gingen viel aus, im Grunde begann der Tag nach dem Abendessen, besuchten Theaterpremieren, Kunstausstellungen, Kulturveranstaltungen, worüber der Großvater dann noch nachts in der Kritik schrieb“, erinnert sich die Enkelin Ruth Weyl. 1 Neben den Zeitungsartikeln veröffentlichte Osborn auch mehr als 80 Bücher, darunter Monografien zu Künstler*innen wie Max Pechstein und Irma Stern, kunsthistorische Überblicksbände wie Die Kunst des Rokkoko, aber auch Bände zur Berliner Stadtgeschichte wie einen Rundgang in Bildern durch das alte und neue Berlin.
Engagement im Berliner Kulturleben
Osborn engagierte sich auf vielfältige Weise im Berliner Kulturleben und war Mitglied einer Reihe wichtiger Gremien und Vereine, so z.B. der Ankaufskommission der Nationalgalerie und der Kunstkommission der Stadt Berlin. Den Verein Berliner Künstlerinnen unterstützte er als Mitglied ebenso wie das Ausstellungskomitee der Berliner Secession. Im Jahr 1929 war er außerdem Mitbegründer des Jüdischen Museumsvereins, der für die Eröffnung des ersten Jüdischen Museums in Berlin im Januar 1933 verantwortlich war. In seiner Profession als Kunstkritiker wurde er zudem zum Präsidenten der Vereinigung der deutschen Kunstkritiker ernannt.
In Künstler*innenkreisen
Osborn war mit vielen zeitgenössischen Künstler*innen in engem Austausch, darunter Max Liebermann und Max Pechstein. Er lernte den Brücke-Künstler 1910 kennen und erinnerte sich später: „Aber von Max Pechsteins ersten Malereien war mir sogleich ein Funke herübergeschlagen“. 2 Auch Schriftsteller*innen und Theaterleute zählten zu Osborns Vertrauten. Sowohl der Autor Thomas Mann als auch der Theaterregisseur Max Reinhardt waren regelmäßige Gäste im Hause Osborn, z.B. bei den monatlichen Montagsempfängen.
In seiner Schöneberger Wohnung beherbergte Osborn nicht nur eine riesige Bibliothek, sondern auch einige Kunstwerke der von ihm geschätzten Künstler*innen, darunter Max Slevogt, Max Liebermann, Max Pechstein, Emil Orlik und Eugen Spiro. Ebenfalls besaß er eine Sammlung von Autografen, Schriftstücke, von wichtigen Zeitgenossen wie Adolph von Menzel und Christian Morgenstern.
Leben im Nationalsozialismus
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich Osborns Leben abrupt. Bereits im Frühjahr 1933 verlor er seine Anstellung beim Ullstein Verlag und musste seine Wohnung aufgeben. Aus finanzieller Not sah er sich gezwungen große Teile seiner Kunstsammlung und Bibliothek beim Berliner Auktionshaus Max Perl versteigern zu lassen.
Dennoch setzte er sich weiter für die ihm so wichtige Kultur ein, etwa indem er sich maßgeblich an der Gründung des Kulturbundes deutscher Juden (später Jüdischer Kulturbund) in Berlin beteiligte und dessen Veranstaltungsprogram aktiv mitgestaltete. Er hielt Vorträge, etwa zu Max Liebermann, und war noch bis 1937 an der Organisation verschiedener Ausstellungen beteiligt. In dieser Zeit schrieb er auch Kritiken für die Jüdische Rundschau. 1934/35 reiste Osborn außerdem für Vorträge nach Palästina, kehrte aber anschließend nach Berlin zurück, obwohl er sich bereits 1933 Gedanken über eine mögliche berufliche Zukunft im kulturellen Leben von Tel Aviv gemacht hatte.
Im New Yorker Exil
Als sich die nationalsozialistischen Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung immer mehr zuspitzten, beschlossen Max und Martha Osborn Deutschland zu verlassen. Im November 1938 emigrierten sie mit der Hilfe von Thomas Mann über Frankreich und Portugal nach New York. Vor der Emigration hatten sie ihren gesamten Besitz in einer Berliner Spedition eingelagert. Dieser wurde von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und 1942 versteigert, wodurch er für die Osborns verloren ging.
Auch im Exil widmete sich Max Osborn weiter seiner Leidenschaft, dem Schreiben, und verfasste Artikel für die jüdisch-deutsche Exilzeitung Aufbau sowie die Baseler Nationalzeitung. 1945 erschien in einem New Yorker Exilverlag sein autobiografisches Buch Der bunte Spiegel. Erinnerungen aus dem Kunst- Kultur- und Geistesleben der Jahre 1890 bis 1933. Ein Jahr später, am 24. September 1946, starb der Kritiker nach einem erfüllten Arbeitstag: „“Bis in die letzten Stunden seines Lebens hatte er sich diese Schaffenskraft, Arbeitsfreudigkeit und geistige Frisch erhalten.“ 3
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1Ruth Weyl, "Einige Reminiszenzen an meinen Großvater Max Osborn", in: Max Osborn. Der bunte Spiegel. Erinnerungen aus dem Kunst-, Kultur und Geistesleben der Jahre 1890 bis 1933, hg. von Thomas B. Schuhmann, Edition Memoria, Hüth 2013, S. 253.
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2Max Osborn, Max Pechstein, Propyläen-Verlag Berlin, 1922, S. 13
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3Martha Osborn zum Tod ihres Mannes Max Osborn, zitiert nach E.G. Lowenthal, „Er schöpfte aus dem Vollen. Gedenkblatt zum 100. Geburtstag von Dr. Max Osborn", In: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 13. Februar 1970.