Symposium, Digital

Expressionism Revisited
Sektion IV: Schlüsselwerke neu gesehen (DE & EN)

Die Sektion widmet sich einer Neubetrachtung von Schlüsselwerken des Expressionismus. Ausgehend von den vielschichtigen Deutungsmöglichkeiten einer jenseits des Naturalismus liegenden autonomen Kunstrichtung, werden ausgewählte Werke von Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel aus fachintegrativer Perspektive neu befragt und aktuellen Verhandlungsräumen geöffnet.

Als gemeinsame Diskussionsgrundlage sind die einzelnen Beiträge auf das Konzept der Kunstentgrenzung ausgerichtet, dem sich die „Brücke“-Mitglieder im Hinblick auf eine Verschleifung der Kunstgattungen verschrieben hatten. Im Dialog von Tafel- und Wandbild, von serieller Grafik und Lyrik, von Malerei, Tanz Gebärde und Performance sollen die kreativen Prozesse freigelegt werden, die als zeitlose Affirmation den Expressionismus bis heute lebendig erhalten.

Leitung: Dr. Meike Hoffmann (Freie Universität Berlin)

Dr. Meike Hoffmann ist Dozentin im Themenbereich Expressionismus, NS-Kunstpolitik und Erinnerungskultur an der Freien Universität Berlin. Am Kunsthistorischen Institut leitet sie dort die Provenienzforschungsprojekte: Forschungsstelle „Entartete Kunst“, Mosse Art Research Initiative (MARI), Abraham Adelsberger Art Research Project (AAARP). Letzte Publikationen: Meike Hoffmann / Dieter Scholz (Hg.): Unbewältigt? Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus. Kunst, Kunsthandel, Ausstellungspraxis, Berlin 2020; Meike Hoffmann und Aya Soika: Flucht in die Bilder? Die Künstler der Brücke im Nationalsozialismus, München 2019.

 

Dr. Julia Cloot (Kulturfonds Frankfurt RheinMain): Künstlerfiguren bei Jean Paul und Erich Heckel – Musik, Literatur, Malerei (DE)

In der Literatur um 1800 dient die Beschreibung von tatsächlich erklingender oder vorgestellter Musik als Mittel, herausgehobene Momente im Text zu markieren. Entgrenzung entsteht hier durch ausgreifende Wenn-Perioden oder die parataktische Aneinanderreihung von Hauptsätzen. Zusätzlich lässt Jean Paul (17631825) Künstlerfiguren in seinen Romanen auftreten, etwa den Flötisten Vult im Roman Flegeljahre oder den donjuanesken Spieler Roquairol im Roman Titan. Erich Heckel diente letzterer als Vorwurf für mehrere Werke mit dem Titel Roquairol: ein Gemälde, einen Holzschnitt (beide 1917) und zwei Tuschezeichnungen (1918) – die Arbeiten lassen seinen Künstlerfreund Ernst Ludwig Kirchner assoziieren. Im Vortrag werden die vielfältigen Verbindungslinien im Spannungsfeld von Literatur, Musik und Bildender Kunst nachgezeichnet.

Die Musik- und Literaturwissenschaftlerin Julia Cloot war nach ihrer Promotion 1999 in Berlin Chefdramaturgin am Theater Görlitz und ab 2001 Stiftungsreferentin in Hannover. Von 2005–2013 leitete sie das Institut für zeitgenössische Musik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt, von 2006–2013 das Off-Programm der Donaueschinger Musiktage. Seit Oktober 2013 ist sie Kuratorin und Prokuristin beim Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Von 2011–2021 war sie Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neue Musik, seit 2016 ist sie Vorstandsmitglied im Musikfonds des Bundes. Als Jurorin ist sie für verschiedene Institutionen tätig.

 

Joseph Henry (CUNY Graduate Center / Diamonstein-Spielvogel Fellow, Metropolitan Museum of Art): Erich Heckel’s Die Ballade vom Zuchthaus zu Reading and the Politics of the Natural (EN)

Diese Präsentation untersucht ein 1907 erschienenes Druckportfolio von Erich Heckel, das auf Oscar Wildes Gedicht The Ballad of Reading Gaol aus den Jahren 189798 basiert. Wenn Wildes Gedicht seine eigenen Erfahrungen im Gefängnis nach Verurteilungen wegen „schwerer Unsittlichkeit“ mit Männern thematisiert, stellt sich die Frage, wie Heckels Holzschnitte Verbindungen zwischen der Holzmatrix und der Gefängnisarchitektur herstellen, zwischen der „natürlichsten“ Technik des Drucks und der „Unnatürlichkeit“ homosexueller Begierde im viktorianischen England und im wilhelminischen Deutschland. Inwiefern könnte Heckels Portfolio eine frühe modernistische Form der queeren ökologischen Kritik darstellen?

Joseph Henry ist Doktorand an der City University of New York und Diamonstein-Spielvogel Fellow am Metropolitan Museum of Art. Seine Dissertation mit dem Titel Spiritualized Machines: Die Brücke, Expressionism, and Wilhelmine Modernity untersucht eine aufstrebende innerhalb der ansonsten primitivisierenden Techniken, Motive und Theorien der Brücke. Er erhielt Fördermittel von Institutionen wie dem DAAD, durch die er von 2019 bis 2020 als Forscher am Brücke-Museum tätig war. Er hat Aufsätze in Artforum und Art in America veröffentlicht und einen bevorstehenden Artikel im Oxford Art Journal über die Rezeption von Vladimir Tatlin im Berliner Dada.

 

PD Dr. Thomas Röske (Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg): E.L. Kirchner, Alpsonntag. Mit erzählendem Alten – Deutung und Datierung (DE)

Eines der größten Leinwandbilder Kirchners ist zugleich eines der bekanntesten, da es immer wieder in den Medien erscheint. Trotzdem ist das vier Meter breite Gemälde „Alpsonntag. Mit erzählendem Alten“ bisher kaum genauer betrachtet worden, weil es fast nicht auf Ausstellungen zu sehen war. Deshalb fehlt es immer noch an einer kohärenten Deutung des Bildes (sowie seines Gegenstücks im Kunstmuseum Bern). Aber auch die überlieferte Datierung bedarf einer Korrektur, wie sich durch Skizzen und Briefe zeigen lässt.

 

Marietta Piekenbrock (Kuratorin, Autorin, Kulturmanagerin, Berlin): Der fremde Tanz. Für eine neue Ethik der Aneignung (DE)

Die Moderne wäre nicht vorstellbar ohne das Spiel von Aneignung und Appropriation, einem Global Groove aus Kunst, Tanz und Performance. Ernst-Ludwig Kirchner begeisterte sich schon früh für außereuropäische Kulturen. Und für den Tanz. Genau hier findet die kulturelle Produktion seiner Avantgarde ihren Ausgangspunkt: in einer Ethik, die ihre eigene Gemachtheit bewusst einsetzt.

Marietta Piekenbrock ist Autorin, Kuratorin und Kulturmanagerin. Nach Stationen in Aix-en-Provence, München, Paris und im Ruhrgebiet lebt sie heute in Berlin. Sie arbeitete im Leitungsteam der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010, als Leitende Dramaturgin der Ruhrtriennale und als Programmdirektorin der Volksbühne Berlin. Für das Museum Folkwang kuratierte sie die Ausstellung Global Groove.  Ab 2024 verantwortet sie als Künstlerische Direktorin Gründung und Programm der Summer Akademie Zollverein, Essen. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und Essays zu internationalen Entwicklungen in Kunst und Kultur.


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