Symposium, Digital

Expressionism Revisited
Sektion III: Schlaglichter auf aktuelle Forschung (DE & EN)

Im Mittelpunkt des Panels stehen die Perspektivwechsel, die Öffnung für kulturwissenschaftliche Ansätze und die Dekonstruktion populärer Narrative, die in den letzten Jahren viel Bewegung in die internationale Expressionismusforschung gebracht haben.

Ausgehend von der kritischen Einordnung bislang unbekannter Quellen, der Auswertung eigens erhobener Daten zu Provenienz- und Sammlungsgeschichte sowie der Erkundung kulturpolitischer Rahmenbedingungen des westlichen Museumsbetriebs, spannen die Vorträge den Bogen von der erneuten Befragung der künstlerischen Aneignung außereuropäischen Kulturerbes im Werk Ernst Ludwig Kirchners und Karl Schmidt-Rottluffs bis hin zur Rezeption des deutschen Expressionismus in den USA und in Frankreich.

Leitung: Dr. Andrea Meyer (Technische Universität Berlin)

Dr. Andrea Meyer ist seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der TU Berlin. Sie ist Mitglied des Forschungsverbunds Museums and Society - Mapping the Social sowie des internationalen Netzwerks Making Museum Professionals, 1850-the present. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Museumsgeschichte und die Bildkünste der Moderne. Im Rahmen des Forschungsprojekts Umgekehrte Sammlungsgeschichte beschäftigt sie sich derzeit mit der künstlerischen Rezeption von Kulturgütern aus der ehemaligen Kolonie Kamerun in Deutschland.

 

Dr. Sol Izquierdo de la Viña (Technische Universität Berlin): Entangled Images of India: A Transcultural Perspective on Kirchner’s Appropriation (EN)

Die Verbreitung von Geschichten, Bildern und Kulturgütern aus Südasien, die einen starken Einfluss auf Kunst und Gesellschaft in Deutschland um die Jahrhundertwende hatten, schuf ein stereotypisches Bild von Indien. Ernst Ludwig Kirchner war besonders von zwei antiken indischen Kunstwerken fasziniert: dem Theaterstück Śakuntalā und den buddhistischen Wandmalereien von Ajanta. Während diese Werke in Dresden den orientalistischen Wünschen des Westens entsprachen, dienten sie in Kolkata der pro-unabhängigen Bewegung dazu, eine zuvor von kolonialen Institutionen zensierte einheimische Tradition wiederherzustellen. Indem sie auf beide lokalen Kontexte eingeht, hinterfragt Sol Izquierdo de la Viña die eurozentrische Erzählung der Kunstgeschichte und erkundet eine dezentrierte Kartografie der verflochtenen Prozesse der Moderne.

Dr. Sol Izquierdo de la Viña ist Postdoktorandin an der Technischen Universität Berlin, wo sie über die österreichisch-jüdische Künstlerin Lene Schneider-Kainer forscht. Sie promovierte 2021 in Kunstgeschichte an der Universidad Complutense de Madrid. In ihrer Dissertation, die mit dem Enrique Fuentes Quintana Preis für Geisteswissenschaften ausgezeichnet wurde, untersuchte sie Kirchners Rezeption indischer Kunst aus einer transkulturellen und postkolonialen Perspektive. Sie war Co-Kuratorin der Ausstellung Whose Expression? Die Künstler der Brücke im kolonialen Kontext im Brücke-Museum.

 

Matthias Gegner (Kirchner Museum Davos): Ambiguitäten untersuchen und aushalten – Karl Schmidt-Rottluffs Stillleben und seine Künstlersammlung (DE)

Karl Schmidt-Rottluff baute während seiner Lebzeit nicht nur eine umfangreiche Sammlung aus ethnologischen Artefakten und Naturalien auf, sondern integrierte diese Objekte auch in seine zahlreichen Stillleben. Anknüpfend an kritische Forschungsperspektiven der letzten Jahre, macht eine systematische Analyse umfangreicher Primärquellen die damit einhergehenden persönlichen und künstlerischen Ambiguitäten des Expressionisten sichtbar und untersucht erstmals umfassend die Vielschichtigkeit der gemalten Repräsentationen dieser Sammlungsobjekte in seinen Kunstwerken.

Matthias Gegner ist wissenschaftlicher Volontär am Kirchner Museum Davos. Zuvor studierte er in Berlin Museologie und Kunstwissenschaft mit Schwerpunkt im Bereich Kunsttechnologie. Seinen akademischen Leistungen verliehen ihm eine Auszeichnung als Bestabsolvent sowie ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Als studentischer Mitarbeiter brachte er sich neben dem Studium in mehreren universitären Forschungsprojekten ein. 2022 beendete er sein Studium mit einer Abschlussarbeit über die malerische Repräsentation von Karl Schmidt-Rottluffs Künstlersammlung.

 

Dr. Max Koss und Fabio Mariani (Leuphana Universität Lüneburg): Actual Time of Arrival: The Acquisition of Expressionist Art by United States Museums (EN)

Die Arbeit untersucht mit Hilfe einer datenbasierten Methodik die Einführung der expressionistischen Kunst in amerikanischen Museen. Indem sie die gängige Erzählung einer verspäteten Ankunft des Expressionismus in den Museen der Vereinigten Staaten hinterfragt, legt die Arbeit den Fokus auf die Identifizierung zeitlicher und geografischer Trends, die auf eine differenziertere Geschichte der Rezeption des Expressionismus in Amerika hinweisen.

Dr. Max Koss ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leuphana Universität Lüneburg. Max hat einen Master- und einen Doktortitel in Kunstgeschichte von der University of Chicago sowie Abschlüsse vom Courtauld Institute of Art (Master) und der London School of Economics and Political Science (Bachelor). Die Forschungsinteressen liegen im Bereich der Zeitschriftenstudien, der materiellen Geschichte der modernen Kunst sowie der sozialen und wirtschaftlichen Kunstgeschichte. Max’ jüngste Veröffentlichung, zusammen mit Lynn Rother und Fabio Mariani, ist Verborgener Wert: Provenienz als Quelle für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Wirtschaftshistorisches Jahrbuch, 2023).

Fabio Mariani ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Digital Humanities an der Leuphana Universität Lüneburg, wo er auch als Doktorand zum Thema Vague, Incomplete, Subjective, and Uncertain Information in Digital Art History arbeitet. Fabios aktuelle Forschung konzentriert sich auf den Einsatz semantischer Webtechnologien zur Verarbeitung komplexer kunsthistorischer Informationen mithilfe künstlicher Intelligenz. Seine jüngste Veröffentlichung, zusammen mit Lynn Rother und Max Koss, trägt den Titel Hidden Value: Provenance as a Source for Economic and Social History (Wirtschaftshistorisches Jahrbuch, 2023).

 

Michael Rauch (Ludwig-Maximilians-Universität München / Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne): Multiple Expressionismen: Taxonomie als Problem der Kunsthistoriografie? (DE)

Speziell im französischen Rezeptions- und Ausstellungskontext erweist sich der deutsche Expressionismus im „kurzen 20. Jahrhundert“ als hermeneutisches Problem. Angesichts obsoleter Ideologien und einer neuen Weltordnung, stellt sich die Frage, ob die Ausstellung Le fauvisme ou ‚l’épreuve du feu‘ (Musée d’Art Moderne de Paris, 1999/2000) den Expressionismus oder Fauvismus kunstgeografisch einer Neudefinition als pan-europäisches Phänomen, von Paris über München nach Budapest und von Berlin nach Moskau, unterwirft.

Michael Rauch studierte Kunstgeschichte und Kommunikationswissenschaften in München, Paris und Venedig. Er arbeitete für die Peggy Guggenheim Collection, das Leopold Museum in Wien und zuletzt am Deutschen Forum für Kunstgeschichte (DFK Paris). Gegenwärtig verfasst er eine Dissertationsschrift zur Rezeption des deutschen Expressionismus in Frankreich aus einem postmodernen Standpunkt heraus. Dabei ermöglichte ein DAAD-Stipendium das Sichten uneditierten Quellenmaterials in zahlreichen Archiven und die Durchführung von umfangreichen Zeitzeugengesprächen mit Künstler*innen und Kurator*innen.


Es handelt sich um eine geschlossene Veranstaltung mit einer begrenzten Teilnehmer*innenzahl. Die Veranstaltung wird live digital übertragen.
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