Symposium, Digital

Expressionism Revisited
Sektion II: Nationale Expressionismen (DE)

Die Sektion Nationale Expressionismen widmet sich den Schnittmengen zwischen Expressionismus, nationalen Erneuerungsbestrebungen und nationalsozialistischer Ideologie. Dabei geht es um die Verbindungen zwischen expressionistischem Ausdruck und „völkischem“ oder als „genuin deutsch“ wahrgenommenen Inhalten und um die Vereinnahmung der Kunst durch nationale Deutungen.

Auch wird die Frage nach stilistischen Umorientierungen und Kontinuitäten in Reaktion auf politische Entwicklungen und Brüche gestellt, insbesondere nach 1945.

Leitung: Prof. Dr. Aya Soika (Bard College Berlin)

Prof. Dr. Aya Soika lehrt als Professorin für Kunstgeschichte am Bard College Berlin. Sie forscht im Bereich der Kunst der Moderne, insbesondere des Expressionismus. Unter anderem war sie 2019 Ko-Kuratorin der Ausstellungen zu Emil Nolde im Nationalsozialismus (Neue Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof), und, parallel dazu, zu den Brücke-Künstlern im NS (Brücke-Museum Berlin). Als Autorin des Werkverzeichnisses der Ölgemälde Max Pechsteins interessiert sie sich für Fragen zur Beziehung zwischen kunstwissenschaftlichen Methoden und ihren Anwendungen und ist Mitherausgeberin des im März 2023 erschienenen Handbuch Werkverzeichnis Œuvrekatalog Catalogue Raisonné.

 

Christina Brinkmann M.A. (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): Expressionistische Wandmalereien in einem völkischen Museum (DE)

Anhand der expressionistischen Wandmalereien von Paul Thiersch (1879–1928), Lili Schultz, Klara Kuthe und Johanna Wolff, die 1919 für das Provinzialmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) entstanden, werden das germanisch-mythologische Bildprogramm, ideelle und personelle Einbindungen in den Kreis um Stefan George, das völkische Gesamtkonzept des Museums und die Rezeption des Werks bis in die Gegenwart diskutiert.

Christina Brinkmann arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Kunstgeschichte an der Universität Halle. Sie studierte Deutsche Sprache und Literatur und Kunstgeschichte in Halle, München und Paris sowie Kunstwissenschaften in Halle und Wien. Aktuell arbeitet sie an einer Dissertation zur Geschichte der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle im Nationalsozialismus. Sie war an mehreren Ausstellungsprojekten beteiligt, unter anderem Weil wir jung sind (Raum für Kunst Halle 2021) zur Industrie-, Kultur- und Migrationsgeschichte eines Waggonbaubetriebs.

 

Nora Jaeger (Ruhr-Universität Bochum): Eine expressionistische Künstlergruppe im Nationalsozialismus: Der Norden (DE)

Vorgestellt wird die Künstlergruppe Der Norden, die aktiv für eine Verbindung zwischen expressionistischer Moderne und Nationalsozialismus plädierte und sich in die Tradition von ausgewählten ehemaligen Brücke-Künstlern wie Erich Heckel, Emil Nolde oder Karl Schmidt-Rottluff stellte. Einerseits werden die gut vernetzten Mitglieder der Künstlergruppe Der Norden besprochen und andererseits die zeitgenössischen Reaktionen auf die gleichnamige Wanderausstellung ausgewertet. Die Beschäftigung mit der Künstlergruppe wirft die Frage auf, wie sich ihre Aktivitäten im Kontext der kunstpolitischen Auseinandersetzungen und Debatten in den ersten Jahren nach 1933 verorten lassen.

Nora Jaeger studierte Kunstgeschichte und Archäologie in Münster und Bochum. Seit 2015 arbeitete sie in verschiedenen Museen und Ausstellungshäusern, darunter der Bundeskunsthalle, den Deichtorhallen und dem Gropius Bau. Sie war Volontärin am Wilhelm-Hack-Museum und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Provenienzforschung, Kunst- und Kulturgutschutzrecht. Seit 2019 promoviert sie über Otto Andreas Schreiber gefördert durch ein Promotionsstipendium der Gerda Henkel Stiftung und forscht zur Kunstpolitik im Nationalsozialismus.

 

Wolfgang Brauneis (Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft): Welches Schweinderl hätten’s denn gern? Die Skulpturen Willy Mellers zwischen NS-Monumentalismus und Nachkriegsexpressionismus (DE)

Der Vortrag beschäftigt sich im weiteren Sinne mit der Anpassungsleistung von Künstlern und der Frage, welche rehabilitierende Funktionen ein dem Expressionismus verwandter Stil eigentlich übernehmen kann. Im Falle des Bildhauers Willy Meller (1887–1974), der 1944 in die „Gottbegnadeten-Liste“ Hitlers und Goebbels aufgenommen wurde, heißt das: Wie bewerten wir rückblickend einen Bildhauer, dessen Werke der 1920er moderat-expressionistische Züge aufweisen, in den 1960er Jahren dann eher an Ernst Barlach als an Josef Thorak denken lassen, und der dazwischen Monumentales für NS-Ordensburgen entwarf? Und was bedeutet es eigentlich, wenn jemand für die deutschen Täter vor und für die deutschen Opfer nach 1945 produziert? Welche Rolle spielt der Expressionismus in diesem Zusammenhang?

Wolfgang Brauneis lebt und arbeitet als Kunsthistoriker und Kurator in Köln und Nürnberg. 2021 hat er die Ausstellung Die Liste der „Gottbegnadeten“. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik im Deutschen Historischen Museum in Berlin kuratiert, im vergangenen Jahr die Ausstellung Weisen Sie das Geschenk zurück! Die Kontroverse um Die Frau Musica zu Hermann Kaspar in der Meistersingerhalle Nürnberg. Er ist Direktor des Kunstvereins Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft und untersucht im Rahmen eines Forschungs- und Ausstellungsprojektes dessen Geschichte im NS und den Nachkriegsjahrzehnten.

 

Dr. Ilka Voermann (Berlinische Galerie): Karl Hofer als Repräsentant der West-Berliner Kunstszene vor und nach 1945 (DE)

Der in Berlin ansässige Karl Hofer (1878–1955) stand den Brücke-Künstlern nahe, und unterscheidet sich doch gerade im Hinblick auf die Rezeption im und nach dem Nationalsozialismus in mancher Hinsicht. Bis heute werden einige der Werke, die Hofer während des NS-Regimes schuf als „visionär“ und „das Unheil voraussehend“ beschrieben? Aber trifft das wirklich zu? Woher kommt diese Form der Rezeption? Wie stehen Hofers Haltung und sein Werk generell zueinander und welche Vergleiche lassen sich zum Beispiel zu Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein ziehen?

Dr. Ilka Voermann studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Neuere und Neueste Geschichte in Münster und Mainz. Von 2011 bis 2012 war sie als wissenschaftliche Assistentin und Mitarbeiterin am Kunstmuseum Stuttgart tätig, wo sie die Ausstellung Willi Baumeister International verantwortete. Zwischen 2014 und 2017 war sie als Curatorial Fellow an den Harvard Art Museums in Cambridge beschäftigt und in die Planung der Ausstellung Inventur–Art in Germany, 1943–55 involviert. Als Kuratorin an der Schirn Kunsthalle Frankfurt von 2017 bis 2022 realisierte sie Ausstellungen wie Kunst für Keinen. 1933–1945 und Chagall. Welt in Aufruhr. Seit August 2022 ist Ilka Voermann Leiterin der Grafischen Sammlung in der Berlinischen Galerie.


Es handelt sich um eine geschlossene Veranstaltung mit einer begrenzten Teilnehmer*innenzahl. Die Veranstaltung wird live digital übertragen.
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