Künstler

Otto Mueller

Geboren
16. Oktober 1874, Liebau, Schlesien
(heute Lubawka, Polen)

Gestorben
24. September 1930, Obernigk, Schlesien
(heute Oborniki Śląskie, Polen)

Otto Mueller, Selbstbildnis nach rechts II, 1921/22

Biografie

(Um-)wege zur Kunst (1874–1893)

Otto Mueller, Sohn des Leutnants und Steuerbeamten Julian Mueller und seiner Ehefrau Marie Maywald, wächst als zweites von sieben Kindern am Rande des Riesengebirges auf. Seine Jugend verbringt er in Görlitz, wo er nach dem Besuch des Gymnasiums 1891–1894 eine Lehre als Lithograph absolviert. Er verbringt viel Zeit mit den Schriftstellern Ivo und Gerhard Hauptmann, seinen Adoptiv-Onkel, die ihn in ihre intellektuellen Kreise einführen.

Kunststudium (1894 – 1898)

Von 1894 bis 1896 studiert Mueller an der königlichen Akademie der Bildenden Künste in Dresden. Hier kommt er in Kontakt mit der Freilichtmalerei und lernt Studien nach der Natur anzufertigen, 1898 will er seine Studien an der Münchner Kunstakademie fortzusetzen, scheitert jedoch an dem Versuch in die Malklasse des symbolistischen Künstlers Franz Stuck aufgenommen zu werden und arbeitet stattdessen die folgenden zwei Jahre autodidaktisch in München.

Positionierung als Künstler und die Begegnung mit Maschka (1898–1908)

1899 kehrt er nach Dresden zurück, wo er Maschka Mayerhofer, seine spätere Ehefrau, kennenlernt. Sie wird ihm wichtigstes Modell und intellektuelle Gesprächspartnerin zugleich. Die charakteristischen kantigen Gesichtszüge, die seine Figuren von nun an erhalten, sind ihrem Vorbild entnommen. Gemeinsam leben sie abwechselnd in Dresden sowie an verschiedenen Orten im Riesengebirge. Währenddessen arbeitet Mueller intensiv daran, seine eigene künstlerische Position zu entwickeln.

Berlin und die Künstlergruppe Brücke (1908–1919)

1908 zieht Mueller nach Berlin. Einen ersten Zugang zur Berliner Kunst und Kulturszene findet er über den literarischen Zirkel des S. Fischer Verlags. Ein Jahr später hat er seine erste Einzelausstellung im Kunstsalon Gurlitt und nimmt außerdem an der Frühjahrsausstellung der Berliner Secession Teil. 1910 stellt er zusammen mit den Künstlern der Brücke in der Ausstellung Zurückgewiesene der Berliner Secession aus und wird noch im selben Jahr Mitglied der Gruppe. „Die sinnliche Harmonie seines Lebens mit dem Werk machte Mueller zu einem selbstverständlichen Mitglied von Brücke“, schreibt Ernst Ludwig Kirchner 1913 in der Chronik der Brücke. Entgegen der intensiven Farbigkeit, die den Gruppenstil zu dieser Zeit prägt, verwendet Mueller blasse, erdige Töne. Außerdem benutzt er Leimfarbe und Rupfen, eine Technik, die die anderen Gruppenmitglieder zwar schätzen, selbst aber nicht übernehmen. Ihre Stile treffen sich in der Flächigkeit sowie der Vorliebe für Akte in Landschaft. Insbesondere mit Kirchner und Erich Heckel verbindet ihn eine enge Freundschaft, die auch nach Auflösung der Gruppe 1913 weiterbesteht. Ab 1914 engagiert er sich innerhalb des Künstlerverbundes Freie Secession. Im Dezember 1915 gestaltet der Künstler den Eingangsraum des Secessionsgebäudes am Berliner Kurfürstendamm mit Wandbildern, Nesselgobelins und Skulpturen. Anders als seine Künstlerkollegen wird Mueller erst 1916, also zwei Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges, zum Kriegsdienst eingezogen. Als Amierungssoldat zunächst im flämischen Namur und später in Frankreich stationiert, nimmt er nicht direkt an Kampfhandlungen Teil, sondern kümmert sich um den Bau und die Instandhaltung von Befestigungsanlagen. 1918 wird er dann als Zeichner für die Luftschifffahrtsabteilung in Berlin eingesetzt.

Die Breslauer Kunstakademie (1919–1930)

Im April 1919 übernimmt Mueller eine Professur an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau. Die letzten 11 Jahre seines Lebens wird er hier neben anderen progressiven Kräften wie dem Maler Oskar Moll, dem Architekten Hans Scharoun und dem Bauhauskünstler Oskar Schlemmer lehren. Von seinen Schülern wird Mueller wegen seiner unkonventionellen Lehrmethoden, seinem antibürgerlichen Lebensstil sowie seinem kameradschaftlichen Verhältnis zu ihnen verehrt. Dennoch fühlt er sich hier nie Zuhause: „Hier in Breslau ist es scheußlich bei dem ewigen Regenwetter und Glockengebimmel, ich werd manchmal bald wahnsinnig“, schreibt er 1923 an Maschka. Und als ihm untersagt wird in seinem Atelier zu wohnen, lautet sein Kommentar: „olles Spießer“. Maschka folgt Mueller nicht nach Breslau, es kommt schon 1919 zur Trennung und zwei Jahre später zur Scheidung. Bereits 1919 geht er eine Liebesbeziehung mit seiner Schülerin Irene Altmann ein. Diese währt allerdings nur kurze Zeit, da ihr Vater eine Heirat mit einem nicht jüdischen Mann verbietet. Von kurzer Dauer ist ebenso seine darauffolgende Ehe mit Elsbeth Lübke, ebenfalls Schülerin an der Breslauer Akademie, die trotz der Geburt des gemeinsamen Sohnes Josef 1925, nur von 1922 bis 1927 hält. Kurz nach der Trennung geht Mueller eine Beziehung mit Elfriede Timm ein, die er auf einem Akademiefest kennengelernt hat.

Reisen nach Osteuropa (1924–1930)

Ab 1924 unternimmt Mueller lange Reisen in verschiedene südosteuropäische Länder, wo er sich intensiv mit der Kultur der Sinti und Roma beschäftigt. Er idealisiert ihren vermeintlich freiheitlichen Lebensstil, in dem er sich selbst wiederzufinden glaubt. Die Eindrücke seiner Reisen hält er auf einer Vielzahl von Fotografien und Skizzen fest, die er später zu Gemälden und Lithographien ausarbeitet.
Otto Mueller stirbt im September 1930, kurz nach seiner Hochzeit mit Elfriede Timm, im Sanatorium Obernigk bei Breslau an einer chronischen Lungenkrankheit.

Isbael Fischer


Literatur

Maler. Mentor. Magier. Otto Mueller und sein Netzwerk in Breslau, Ausst.-Kat. Neue Galerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin / Muzeum Narodowe we Wroclawiu, hg. von Dagmar Schmengler, Agnes Kern und Lidia Gluchowska, Heidelberg und Berlin: Kehrer Verlag, 2018.

Christiane Remm, Otto Mueller, Ausst.-Kat. Brücke-Museum, Berlin, hg. von Magdalena M. Moeller, München: Hirmer Verlag 2014.

Otto Mueller. Eine Retrospektive, Ausst.-Kat. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, hg. von Johann Georg Prinz von Hohenzollern und Mario-Andreas von Lüttichau, München u.a.: Prestel Verlag, 2003.

Lothar-Günther Buchheim, Otto Mueller. Leben und Werk, Feldafing: Buchheim Verlag 1963.