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Nollendorf-Casino/Treffpunkt des Neopathetischen Cabarets

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„Unser ‚neues Pathos‘ war zunächst wie jedes ein Ergriffensein, aber nicht nur des Gefühls, wie die alte, geistig-unselbständige, daher um so hohler dröhnende ‚Pathetik‘ […]. Aber auch ein neu-artiges, das den Intellekt nicht ausschaltete, ihn aber auch nicht, wie wir es als Studenten gelernt hatten, nur im Rahmen einer Theorie und umständlichen, historisch wohlbegründeten Doktrin gelten liess.“ 

Erwin Loewenson, Literat und Mitgründer des Neopathetischen Cabarets, im Rückblick über den Leitgedanken der Gruppe, 1962

Nollendorfcasino, 1919, Ansichtspostkarte, Archiv des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf

Unzufrieden über die Vorgänge innerhalb der Berliner Studentenverbindungen findet sich 1909 eine Hand voll Studierende im sogenannten Fledermaus-Salon des Nollendorf-Casinos zusammen. Unweit des Nollendorfplatzes gründen sie in dem beliebten Künstler*innentreff eine alternative Vereinigung: den Neuen Club. Die Gruppe um die Schriftsteller Kurt Hiller und Erwin Loewenson möchte damit einen Ort für die Präsentation und Diskussion eigener künstlerisch-literarischer Arbeiten schaffen. Nur ein Jahr später folgt die Umbenennung in Neopathetisches Cabaret [für Abenteuer des Geistes]. Der neue Name soll deutlich machen: Nicht die einfache Unterhaltung, sondern die Verbindung von Kunst, Literatur und Philosophie steht im Vordergrund. Regelmäßig finden abendliche Lesungen, Vorträge und Musikvorstellungen statt. Gäste sind Literaten wie Karl Kraus und der für seine Großstadtlyrik bekannte Georg Heym, aber ebenso die Schauspielerin Tilla Durieux sowie die Schriftstellerin und Malerin Else Lasker-Schüler.

Zu den Kernmitgliedern der Gruppe gehört der Literat Simon Guttmann. Durch sein Interesse sowohl an expressionistischer Lyrik als auch Kunst lernt der junge Kunstgeschichtsstudent zu Beginn der 1910er-Jahre die Künstlergruppe Brücke kennen. Begeistert von ihren Arbeiten wird er zum wichtigen Bindeglied zwischen den beiden Vereinigungen. Er lädt die Brücke-Künstler zu den Veranstaltungen des Neopathetischen Cabarets ein, wo die Großstadtgedichte Heyms insbesondere bei Ernst Ludwig Kirchner tiefen Eindruck hinterlassen. Aber auch der literaturverbundene Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff sind interessierte Besucher. Letzterer gestaltet 1912 sogar ein Signet für das Programm des Cabarets.

Guttmann bemüht sich intensiv um die Verbreitung der Brücke-Kunst. Einige ihrer Druckgrafiken möchte er der geplanten, jedoch nie publizierten Zeitung Neopathos beilegen und er veröffentlicht Artikel über die Künstler in Zeitschriften wie Der Demokrat. Ihre Wertschätzung gegenüber dem Autor bringen die Brücke-Künstler in mehreren Porträts zum Ausdruck.

Valentina Bay

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