Wohnatelier von Ernst Ludwig Kirchner (1913–1917)
Körnerstraße 45
Körnerstraße 45, Berlin-Friedenau
Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört
Heute: Neubau
„Wenn man in seinen Raum trat, fühlte man sich auf einem anderen Stern oder in einem weltfremden Jahrhundert. […] Er lebte in fürstlicher Armut, nährte sich von einem angeschnittenen Kohlkopf, der ungekocht auf dem Küchentisch mit einem Küchenmesser lag.“
Karl Theodor Bluth, Aufzeichnungen, o. J.
Im Herbst 1913, kurz nach Auflösung der Künstlergruppe Brücke, zieht Ernst Ludwig Kirchner um. Das neue Wohnatelier in der Körnerstraße 45 in Steglitz ist mit rund 75 Quadratmetern weitaus größer als sein bisheriges Domizil in der Durlacher Straße 14. Endlich hat er genügend Raum für sich und seine Kunst. Insgesamt fünf Zimmer, darunter zwei Atelierräume, stehen ihm und seiner Lebensgefährtin Erna Schilling zur Verfügung.
Der Blick aus einem Fenster der Wohnung fällt auf die Friedenauer Brücke und die Gleise der Wannseebahn. Nur wenige Gehminuten entfernt befindet sich der kleine Bahnhof Friedenau – ein verlässlicher Startpunkt für Kirchners Streifzüge in die Berliner Innenstadt, die er von nun an noch häufiger als zuvor unternimmt. Die Wohnung gestaltet er als Rückzugsraum mit selbst gefertigten Möbeln und Textilien. Umgeben von eigenen Kunstwerken, aber auch von Skulpturen und Objekten aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern, träumt er sich – ohne deren koloniale Kontexte zu hinterfragen − in weit entfernte Gebiete.
Gleichzeitig herrscht in den Räumlichkeiten ein reges Boheme-Leben mit vielen Besucher*innen und ausgelassenen Feiern, was Kirchner sowohl in Zeichnungen als auch fotografisch festhält. Neben seinen ehemaligen Schülern Werner Gothein und Hans Gewecke sind vor allem das Paar Botho Graef und Hugo Biallowons häufig gesehene Gäste. Der Jenaer Professor Graef gehört zu den ersten Käufern und Förderern Kirchners. Wie ausgelassen die Stimmung im Atelier in der Körnerstraße gewesen sein muss, verdeutlicht eine Fotografie: Nackt und mit Zigarette im Mundwinkel tanzt Biallowons durch den Raum, während Erna Schilling und Werner Gothein das Treiben gespannt beobachten.
Antonia Moldenhauer und Isabel Fischer
Friedenauer Brücke (1899–heute)
Wohnatelier von Emma Ritter (1911–1913/14)
Wohnatelier von Karl Schmidt-Rottluff (1911–1933)