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Stopp 6 auf dem Audiowalk: Eine Brücke in die Zukunft

Der vom Künstlerduo Po:era entwickelte Audiowalk führt zu sechs Adressen in Friedenau, an denen die Brücke-Künstler sowie die mit ihnen befreundete Malerin Emma Ritter, und Emy Fisch, die spätere Ehefrau von Karl Schmidt-Rottluff und Foto-Dokumentaristin der Gruppe, wohnten. Aus ihrer Perspektive erfahren wir mehr darüber, wer die Menschen hinter der Brücke-Kunst waren und wie sie auch jenseits ihres künstlerischen Schaffens die Konventionen ihrer Zeit in Frage stellten.

Unter Berücksichtigung der historisch überlieferten Fakten erzählen Po:era in sechs Kapiteln fiktionalisierte Geschichten, die sich an den verschiedenen Schauplätzen so oder so ähnlich zugetragen haben könnten. Eingebettet sind die an klassische Hörspielformate angelehnten Szenen in eine Begleiterzählung, die nicht nur Infos zur jeweiligen Adresse und Tipps für den Spaziergang durch Friedenau beinhaltet, sondern immer wieder auch den Bogen zur heutigen Zeit schlägt und die Errungenschaften der Künstlergruppe in aktuelle Diskurse einordnet.

Wir empfehlen den ca. 90-minütigen Hörspaziergang in der vorgeschlagenen Reihenfolge und an einem Stück zu machen, beginnend in der Durlacher Straße 15 in unmittelbarer Nähe zum S-Bahnhof Bundesplatz. Die Route zum jeweils nächsten Stopp ist auf der Karte eingezeichnet, die bei eingeschalteter Standortfunktion die Orientierung vor Ort erleichtert. Jedes Kapitel enthält Fotos zur Identifizierung der genauen Adressen. Der Audiowalk kann aber auch von zuhause und in beliebiger Reihenfolge abgerufen werden. Begleitende Musikstücke am Ende jedes Kapitels verschönern die Wege von einem Stopp zum nächsten und erzeugen ein Gefühl für die Zeit, zu der die Brücke-Künstler in Berlin lebten. Das beste Hörerlebnis bieten Kopfhörer in ausreichender Qualität.

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Wohnateliers von Otto Mueller (1908–1911) und Erich Heckel (1911–1919)
​Geschäftsadresse der Brücke (1911–1913)

Wohnen und Arbeiten

„Um zu ihnen zu kommen, musste man unzählige Stufen hinaufklettern. Schließlich stand man vor einer eisernen Türe, die in einen riesigen Speicher führte. In einer Ecke war ein Teil des Speichers wie ein Käfig aus Brettern und Kisten ausgebaut worden. Sie besaßen ein Atelier, ein Wohnzimmer und eine kleine Küche. Alle Wände und der Boden waren mit Sackleinen bespannt, das Heckel bemalt hatte. Auch die aus Brettern selbstgezimmerten Möbel – Tisch, Stühle, Bett – waren mit einem schönen blauen Leinen bespannt.“

Der Kunsthistoriker Walter Kaesbach im Gespräch mit dem Kunsthändler Roman Norbert Ketterer 1959 über das Wohnatelier von Erich Heckel

Erich Heckel, Sich Waschende, 1912, Brücke-Museum, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Erich Heckel, Akt im Raum, 1912, Brücke-Museum, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

„Unter dem Dach eines der großen gleichgültigen Etagenhäuser draußen am Ende der Stadt“ (Max Sauerlandt) findet in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein reger Wohnungstausch zwischen befreundeten Künstlern statt: Als Erster entdeckt Otto Mueller 1908 die bescheidenen Räumlichkeiten im Dachgeschoss der damaligen Mommsenstraße 60 in Steglitz und richtet sich hier ein Wohnatelier ein. 1911 übernimmt sein Brücke-Kollege Erich Heckel den Raum, um ihn wiederum bei seinem Auszug 1919 dem jüngeren Künstlerfreund Otto Herbig zu überlassen. Alle drei nutzen das Dachgeschoss sowohl zum Arbeiten als auch zum Wohnen, dabei ist das Übernachten hier seinerzeit eigentlich verboten.

Otto Mueller, Maschka Mueller, Erna Schilling und Ernst Ludwig Kirchner im Atelier von Otto Mueller in der Mommsenstr. 60, Berlin, um 1910, Fotografie, Brücke-Museum

Mit einfachen Mitteln und künstlerischem Geschick verwandeln Mueller und Heckel auf je unterschiedliche Art und Weise die ärmliche Dachkammer zu einem schillernden Ort: Ersterer bemalt die Wände großflächig mit Figuren; Heckel und die Tänzerin Sidi Riha (geb. Milda Frieda Georgi), seine Partnerin und spätere Ehefrau, wiederum setzen bei der Gestaltung hauptsächlich auf Textil: Gemeinsam batiken und bemalen sie große Stoffbahnen und drapieren sie anschließend an und über Wände, Decken und Möbel. Die Reaktionen der Gäste sind zwiegespalten: Die einen sind verzaubert von der unkonventionellen Einrichtung der Wohnung, andere zeigen sich erschüttert ob der prekären Verhältnisse, in denen das Paar „haust“. Allem voran sorgt das aus Brettern und Kisten notdürftig zusammengezimmerte Mobiliar ein ums andere Mal für Bestürzung. Der expressionistische Künstler Franz Marc berichtet gar, dass eines der besagten selbstgefertigten Sitzmöbel unter seiner Frau Maria Marc zusammengebrochen sei.

Bis zu ihrer Auflösung im Mai 1913 dient die Mommsenstraße 60 auch als offizielle Geschäftsadresse der Künstlergruppe Brücke: Sämtliche Geschäftspost, Bankangelgenheiten sowie öffentliche Bekanntmachungen der Gruppe werden mit dieser Adresse versehen. Hierfür schnitt Heckel 1912 sogar eigens ein Signet mit der Bezeichnung „KG Brücke / Steglitz Mom̅sen 60“ in Holz und druckte es anschließend auf Briefumschläge. Ein solcher – adressiert an Gustav Schiefler, Hamburger Kunstsammler und passives (also förderndes) Brücke-Mitglied – befindet sich noch heute in der Sammlung des Brücke-Museums.

Isabel Fischer

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