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Wohnatelier von Karl Schmidt-Rottluff (1946–1976)

Wohnen und Arbeiten

„Hier ist kaum Licht, da die Fenster noch vernagelt sind. Glas ist so gut wie nicht zu bekommen.“

Karl Schmidt-Rottluff an die Kunsthistorikerin Rosa Schapire, 11. Dezember 1946

„Schmidt-Rottluff kommt nach Berlin“ titelt die Berliner Abendzeitung Nachtexpress im Oktober 1946 und verkündet, dass der Künstler schon bald an der Hochschule für bildende Künste lehren wird. Doch zuvor steht ein Umzug an, denn Karl und Emy Schmidt-Rottluff halten sich zu diesem Zeitpunkt noch im Elternhaus des Künstlers in Chemnitz-Rottluff auf, wo sie Unterschlupf gefunden hatten, nachdem ihre Berliner Wohnung 1943 bei einem Bombenangriff komplett zerstört worden war. Auf Vermittlung des befreundeten Künstlers Max Kaus erhält das Paar im November 1943 in einer großzügig geschnittenen Fünf-Zimmer-Wohnung in Zehlendorf drei Zimmer. Zuvor waren diese Erich Heckel für 160 bis 170 Mark zur Untermiete angeboten worden, doch der einstige Brücke-Kollege will lieber am Bodensee wohnen bleiben. Und so beziehen Karl und Emy Schmidt-Rottluff im Winter 1946 die unmöblierten Räume in der Schützallee 136.

Das Wiederankommen in der Metropole fällt ihnen nicht leicht. „Berlin besteht […] nur noch aus dem Rand“, schreibt der Künstler an die befreundete Kunsthistorikerin Rosa Schapire. Dazu kommen die schlechten Witterungsverhältnisse. In einem anderen Brief berichtet er, dass man Mitte Dezember 1946 gerade einmal minus 13 Grad in Berlin misst − das Haus in der Schützallee ist gegen solche Temperaturen nicht gewappnet. Zwar gibt es einen Kohleofen, aber die Fenster sind teilweise defekt und mit Holzplanken vernagelt. Schmidt-Rottluffs sitzen also sowohl im Kalten als auch im Dunkeln. Als im kommenden Frühjahr noch immer kein Glas für die Fenster zu bekommen ist, funktioniert das Paar belichtete Glasnegative von Emy Schmidt-Rottluff behelfsmäßig zu Fenstern um, damit wenigstens etwas Licht in die Räume gelangt. Im Lauf der Jahre verbessert sich die Wohnsituation. Sie bekommen neue Fenster und schließlich noch die restlichen zwei Zimmer der Wohnung.

In den 30 Jahren, die Schmidt-Rottluff insgesamt in der Schützallee lebt, hält er sowohl das Interieur als auch die unmittelbare Umgebung der Wohnung vielfach in Werken fest. Seine Innenraumdarstellungen zeigen nicht nur das Mobiliar, sondern fokussieren außerdem auf von ihm gesammelte Objekte, darunter solche aus kolonialen Kontexten wie eine Büffelkopf-Tanzaufsatzmaske aus dem Kameruner Grasland oder eine ägyptische Grabmaske. Losgelöst von ihren ursprünglichen Herkunfts- und Verwendungszusammenhängen werden sie vom Künstler rein aus formalästhetischen Gesichtspunkten gruppiert und dargestellt.*

Auch der Blick nach draußen – vom Balkon oder aus den Fenstern der Wohnung – auf die beschauliche grüne Nachbarschaft im Berliner Südwesten inspiriert Schmidt-Rottluff zu Gemälden und Zeichnungen. Von Großstadtleben ist dabei allerdings kaum etwas zu spüren, einzig eine Litfaßsäule oder ein vorbeifahrendes Auto lassen einen Hauch Urbanität erahnen.

Antonia Moldenhauer und Isabel Fischer

 

* Ab 2021 hat sich das Brücke-Museum mit der kritischen Aufarbeitung von Karl Schmidt-Rottluffs Sammlung von Objekten aus kolonialen Kontexten, die sich im Besitz der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung im Brücke-Museum befinden, beschäftigt. Nähere Informationen finden Sie hier.

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