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Wohnung von Walter Gramatté (1922–1923)

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„Und wie auch sehe ich Sonia leiden? Sie hat auch keine Arbeit! Und ihre Mutter krank, alt, die sich nach Alleinsein sehnt, wir sitzen seit Monaten nun zusammen in einen Raum gesperrt. Wir kämpfen mit Ungeheuern um unser Heim […].“

Walter Gramatté an die Kunstsammlerin Martha Rauert, 6. Januar 1923

Walter Gramatté, Stilleben mit Blick auf nächtliche Stadt, 1922/23, Brücke-Museum

Regelmäßig läuft Walter Gramatté ruhelos durch die nächtlichen Straßen Charlottenburgs, um der häuslichen Enge zu entkommen. Seit August 1922 wohnt er gemeinsam mit seiner Frau, der Komponistin und Musikerin Sophie-Carmen (Sonia) Gramatté, und deren Mutter in einem sechsgeschossigen Mietshaus in der Schlüterstraße 36. In dem prunkvollen Gebäude steht ihnen zu dritt allerdings nur ein einziger Raum zur Verfügung. Sein eigentliches Wohnatelier in der Emser Straße 19/20 in Wilmersdorf hat Gramatté zuvor dem Künstler Anton Kerschbaumer überlassen – in der Hoffnung, dieses später wieder beziehen zu können. Doch der einstige Freund weigert sich auszuziehen und auch ein neues geräumiges Wohnatelier ist nicht in Sicht.

So dauert das beklemmende Leben in der Schlüterstraße, was ursprünglich als kurzfristige Übergangslösung gedacht war, letztlich über ein halbes Jahr an. Für Gramatté wird dieser Zustand spätestens im Winter 1922/23 unerträglich. Der Platzmangel schränkt seine sowie Sonias künstlerische Arbeit zunehmend ein. Er fühlt sich eingesperrt, verzweifelt und „sehnt sich fort, weit fort“. Zu ebendieser Zeit entsteht sein Gemälde Stillleben mit nächtlicher Stadt, das einen Blick aus der Fensterecke des Zimmers auf die von Laternen erhellte Stadtlandschaft zeigt. Wie oft mag der Künstler einen solch sehnsuchtsvollen Blick nach draußen geworfen haben, bevor er sich entschließt, durch die Nacht zu spazieren?

Isabel Fischer

Schlüterstraße Ecke Kantsraße, um 1910, Ansichtspostkarte, Archiv des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf

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