Künstler

Karl Schmidt-Rottluff

Geboren
1. Dezember 1884, Rottluff bei Chemnitz, Deutschland

Gestorben
10. August 1976, Berlin, Deutschland

Karl Schmidt-Rottluff, Selbstportrait, 1949 © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Biografie

Herkunft und künstlerische Anfänge (1884–1905)

Karl Friedrich Schmidt wird am 1. Dezember als Sohn des Mühlenwerkführers Friedrich August Schmidt und seiner Frau Auguste Marie in Rottluff bei Chemnitz in Sachsen geboren. Er ist das dritte Kind, dem drei weitere Geschwister folgen. Schon im Gymnasium nimmt er freiwillig am Kunstunterricht bei dem Architekten Friedrich Otto Uhlmann teil und wird Gründungsmitglied des Schülerklubs Vulkan, der Theaterstücke, Lesungen und Ausstellungen veranstaltet. Hier lernt er Erich Heckel kennen, zwischen beiden entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Weitere wichtige Impulse für seine künstlerischen Interessen erhält Karl Schmidt in den Ausstellungen des Kunstvereins Kunsthütte zu Chemnitz, die er seit 1899 regelmäßig besucht. Seit etwa 1901 entstehen erste künstlerische Arbeiten – Aquarelle, Ölstudien und Holzschnitte. Bereits 1904 stellt er eigene Landschaftsaquarelle in der Kunsthütte zu Chemnitz aus. 1905 legt Karl Schmidt das Abitur in Chemnitz ab und folgt seinem Freund Erich Heckel nach Dresden, der dort im Jahr zuvor sein Architekturstudium begonnen hatte.

Die Künstlergruppe Brücke (1905–1913)

1905 beginnt Karl Schmidt das Studium der Architektur an der Königlich-Sächsischen Technischen Hochschule Dresden. Dort lernt er die anderen Architekturstudenten und Freunde Heckels – Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl – kennen. Die jungen Männer zeichnen und malen gemeinsam und gründen am 7. Juni 1905 die Künstlergruppe Brücke. Karl Schmidt ergänzt seinen Namen um seinen Geburtsort und nennt sich fortan Karl Schmidt-Rottluff. Nach Heckels Erinnerung stammt der Vorschlag zum Gruppennamen von Schmidt-Rottluff: Brücke – „das sei ein vielschichtiges Wort, würde kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen.“ 1 Eine Ausstellung in der Dresdener Galerie Ernst Arnold im November 1905 zeigt Gemälde von Vincent van Gogh, die Schmidt-Rottluff faszinieren und nachhaltigen Einfluss auf seine Kunst ausüben. Im Sommer 1906 besucht er vier Monate lang den Malerkollegen Emil Nolde auf der Ostseeinsel Alsen, den er zuvor als Mitglied für die Brücke werben konnte. In diesem Jahr ist Schmidt-Rottluff der Schriftführer der Brücke und Hauptinitiator der Holzschnitt-Ausstellung I, die in der Dresdener Lampenfabrik Karl Max Seifert stattfindet. Um sich ganz der freien Kunst zu widmen, beendet er frühzeitig sein Studium im April 1907. Die Sommer verbringt er ab 1907 bis 1912 an der oldenburgischen Nordsee in Dangastermoor und Dangast. Zeitweilig begleiten ihn Erich Heckel und Max Pechstein, der seit 1906 ebenfalls Mitglied der Brücke ist. In Oldenburg und in Hamburg, wo Schmidt-Rottluff zwischen 1910 und 1912 ein Atelier unterhält, beginnen sich Kreise von Freunden, Förderern und Sammlern zu formieren, zu denen u.a. der Jurist und Sammler Gustav Schiefler, der Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer und die Kunsthistorikerin Rosa Schapire gehören. Die Hamburger Galerie Commeter zeigt seine erste Einzelausstellung. In Berlin wird Schmidt-Rottluff zusammen mit den Brücke-Künstlern 1910 Mitglied der Neuen Secession und des Deutschen Künstlerbunds. Im Herbst 1911 zieht Schmidt-Rottluff nach Berlin; hier lernt er den Künstler Lyonel Feininger kennen, zu dem sich eine intensive Freundschaft entwickelt. Anlässlich der Internationalen Kunstausstellung des Sonderbundes westdeutscher Kunstfreunde und Künstler 1912 in Köln, in der mit einigen Arbeiten vertreten ist, sieht Schmidt-Rottluff kubistische Werke von Picasso, die ihn nachhaltig beeindrucken. Im Mai 1913 löst sich die Künstlergruppe Brücke auf. Den Sommer verbringt Schmidt-Rottluff in Nidden auf der Kurischen Nehrung. Er beginnt, Objekte außereuropäischer Kunst zu sammeln, die er in etlichen seiner in diesem Jahr entstehenden Stillleben abbildet.

Erster Weltkrieg (1914–1918)

Im Mai 1915 wird Schmidt-Rottluff zum Kriegsdienst einberufen, er ist bis 1918 in Litauen und Russland stationiert. Nach seinem anfänglichen Einsatz als Armierungssoldat kommt er dank des Engagements von Richard Dehmel Ende 1916 zum Buchprüfungsamt der Presseabteilung im Stab Ober-Ost in Kowno, wo er die Gemeinschaft mit anderen Künstlern und Literaten teilt (z.B. Magnus Zeller, Hermann Struck, Alfred Brust oder Arnold Zweig). Hier ist künstlerische Arbeit eingeschränkt möglich. Als Material dient ihm Holz, er gestaltet Holzskulpturen und Holzschnitte, darunter erstmals solche mit religiösen Themen (die 1918 erschienene, später sogenannte „Kristus-Mappe“) sowie seine einzige Folge von Buchillustrationen, die er zu einem Drama seines Kriegskameraden Alfred Brust schuf.

Künstlerische Anerkennung (1919–1929)

Im Frühjahr 1919 heiratet Schmidt-Rottluff in Berlin die aus Chemnitz stammende Fotografin Emy Frisch. Sein Freundeskreis erweitert sich um die Bildhauer Georg Kolbe, Richard Scheibe, Emy Roeder und den Architekten Walter Gropius. Letzterer gewinnt Schmidt-Rottluff für die Mitarbeit am Programm des Arbeitsrats für Kunst und versucht vergeblich, ihn als Lehrer für das Bauhaus zu engagieren. Als neues Sommerdomizil wählt Schmidt-Rottluff zwischen 1920 und 1931 den Ort Jershöft an der hinterpommerschen Ostsee. In zahlreichen deutschen Kunstzeitschriften erscheinen Artikel zu seinem Kunstschaffen, Museen erwerben seine Werke. 1920 veröffentlicht Wilhelm Reinhold Valentiner eine erste Monografie über ihn, die im Klinkhardt & Biermann Verlag erscheint. Für die befreundete Kunsthistorikerin Rosa Schapire stattet er 1921 deren Wohnung in Hamburg mit Möbeln und Kunstwerken aus. Zusammen mit Georg Kolbe und Richard Scheibe unternimmt er 1923 eine erste Reise nach Italien, 1924 folgen Aufenthalte in Paris und Dalmatien. Von 1927 und 1929 fährt er mehrfach ins Tessin. 1924 publiziert Rosa Schapire das Werkverzeichnis seiner Druckgrafik.

1930er-Jahre und Zweiter Weltkrieg (1930–1945)

Im Frühjahr 1930 residiert Schmidt-Rottluff als Studiengast in der Villa Massimo in Rom. 1931 wird er Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Auf Einladung der Malerin, Sammlerin und Galeristin Hanna Bekker vom Rath hält sich Schmidt-Rottluff im Frühjahr 1932 erstmals in ihrem „Blauen Haus“ in Hofheim am Taunus auf, einem Treffpunkt zeitgenössischer Künstler*innen und für Schmidt-Rottluff bis zum Lebensende eine zweite Heimat. Ruhe und Inspiration findet Schmidt-Rottluff in den Sommern der Jahre 1932 bis 1943 im abgelegenen Rumbke am Lebasee an der hinterpommerschen Ostsee. Ab 1933 diffamiert die nationalsozialistische Kunstpolitik Schmidt-Rottluffs Kunst als „entartet“, 1933 tritt er aus der Preußischen Akademie der Künste aus, seine Werke werden aus den deutschen Museen entfernt. Die Ausstellung Entartete Kunst 1937 in München verhöhnt zahlreiche seiner Werke. Im April 1941 wird Schmidt-Rottluff aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen und mit einem Malverbot belegt. Durch einen Bombenangriff im Herbst 1943 werden sein Atelier und seine Wohnung in Berlin vollständig zerstört. Von Rumbke aus kehren Schmidt-Rottluff und seine Frau Emy nach Chemnitz-Rottluff in sein Elternhaus zurück, wo sie bis Ende 1946 leben.

Nachkriegszeit und Bau des Brücke-Museums (1946–1976)

Nach der Annahme einer Professur an der Hochschule für Bildende Künste 1946 kehrt Schmidt-Rottluff nach Berlin zurück. 1947 beginnt er mit der Lehrtätigkeit und übt sie bis 1954 aus. Er nimmt seinen Jahresrhythmus wieder auf, der Ort Sierksdorf an der Lübecker Bucht (Ostsee) ist sein neuer, letzter Sommeraufenthaltsort bis 1973. In den Jahren 1949 bis 1953 reist er erneut jährlich im Herbst ins Tessin. 1952 wird Schmidt-Rottluff 2. Vorsitzender des deutschen Künstlerbundes und erhält den Kunstpreis der Stadt Berlin. 1956 erscheint eine umfassende Monografie über den Künstler mit einem vorläufigen Werkverzeichnis der Ölgemälde von Will Grohmann. Schmidt-Rottluff erhält die Friedensklasse des Ordens Pour le mérite sowie zahlreiche weitere Auszeichnungen. 1959 findet in der Städtischen Kunstsammlung in Chemnitz seine erste Ausstellung in der DDR statt. Aus gesundheitlichen Gründen stellt Schmidt-Rottluff 1964 das Malen in Öl ein. Eine große Retrospektive, die in Hannover, Essen, Frankfurt am Main und in Berlin gezeigt wird, ehrt den Künstler anlässlich seines 80. Geburtstages. Mit einer Schenkung von 75 eigenen Werken an das Land Berlin initiiert Schmidt-Rottluff den Bau des Brücke-Museums in Berlin, das 1967 eröffnet wird. Schmidt-Rottluff wird zum Ehrenbürger der Stadt Berlin ernannt, 1974 wird er Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters in New York. 1975 stirbt seine Frau Emy. Noch im selben Jahr wird die Karl Schmidt-Rottluff Förderstiftung ins Leben gerufen, die zweijährlich ein Stipendium an junge, bildende Künstler*innen vergibt. Am 10. August 1976 stirbt Schmidt-Rottluff in Berlin. Sein künstlerischer Nachlass geht in die Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung ein.

Christiane Remm


Literatur

Christiane Remm, Karl Schmidt-Rottluff, Junge Kunst Bd. 21, Klinkhardt & Biermann Verlag, München 2016.

Magdalena M. Moeller, Karl Schmidt-Rottluff. Eine Monographie, Hirmer Verlag, München 2010.

Karl Brix, Karl Schmidt-Rottluff. Biographie, in: Karl Schmidt-Rottluff. Der Maler, Magdalena M. Moeller und Hans-Werner Schmidt (Hg.), Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1992, S. 252–275.

Gunther Thiem, Dokumentation zu Leben und Werk, in: Karl Schmidt-Rottluff. Retrospektive, Gunther Thiem und Arnim Zweite (Hg.), Prestel-Verlag, München 1989, S. 77–105.

  • 1
    Erich Heckel in einem Gespräch mit H.K. 1958, in: Das Kunstwerk, 12. Jg., 1958/59, H. 3, S. 24.